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LARP Theorie 1: Regeln – notwendig oder notdürftig?

Im LARP-Kalender (www.larpkalender.de) – dem größten deutschsprachigen Veranstaltungsüberblick – findet sich eine eigene Kategorie, welche „Regeln“ heißt. Hier soll das jeweilige Regelwerk der Veranstaltung angegeben werden. Bis ca. 2008 war hier am häufigsten des Regelsystem „DragonSys“ vertreten, 2010 sah die Verteilung nach der Auswertung von Jörg Bollewww.section32.de/fantasy/statistik2010/ wie folgt aus:

Bild 1

Bild 2

„DKWDDK“ ist die Abkürzung für „Du kannst, was Du darstellen kannst“ und hat sich innerhalb sehr kurzer Zeit enorm durchgesetzt. Abweichend vom bundesweiten Trend ist war zu diesem Zeitpunkt in NRW das DragonSys nach wie vor relativ beliebt.

Der Punkt „Sonstige“ lässt sich auch aufschlüsseln:

• Eigenes Regelwerk
• Silbermond
• ConQuest Regelwerk
• Phönix
• Codex II
• ConTrolle
• Dilettanten
• DSA
• LiveQuest
• Pegasus Regelwerk
• Starfleet Operations
• Drachenfest Regeln
• Starwars Live

Man sieht zum einen, dass die Großveranstaltungen eigene Regelwerke verwenden zum anderen, dass Settings abseits vom Fantasy-Bereich – wie beispielsweise Sience Fiction – ebenfalls mit eigenen Regeln arbeiten. Daneben existieren eigene Regeln von kleineren Veranstaltungen, welche – nach der Auswertung von Herrn Bolle – eine steigende statistische Relevanz im Vergleich zu den Vorjahren haben.

Ganz ohne Regeln geht es scheinbar beim Liverollenspiel nicht und warum sollte das so verwundern? Regeln sind auch sonst allgegenwärtig, egal ob im Straßenverkehr, beim Sport, in Form von Gesetzten oder im sozialen und beruflichen Miteinander. Bei klassischen Spielen, wie Karten- oder Würfelspielen definieren die Regeln erst das Geschehen („Jeder Spieler hat 3 Karten, es wird reihum gewürfelt.“), sie ordnen und geben Anhaltspunkte, um sich zu orientieren und können damit zur individuellen Beruhigung beitragen.

Neben diesen positiven strukturierenden Aspekten gehen Regel allerdings auch Hand in Hand mit den sanktionierenden Konsequenzen des Nicht-Einhaltens. Strafzettel, die rote Karte, Gefängnisstrafen, Kündigung und soziales Abstrafen zum Beispiel durch Bloßstellen sind gewissermaßen die Schattenseiten von Regeln.

Außerdem gibt es eine gewisse menschliche Tendenz Regeln zu umgehen, umzudeuten oder für sich selbst maximal nutzbringend anzuwenden. Hat solches Verhalten Erfolg führt dies unweigerlich zu Ärger und Neid bei denjenigen, die sich buchstabengetreuer an die so „verletzten“ Regeln gehalten haben.

LARP als Freizeitbeschäftigung unterliegt keinem so verbindlichen Regelkanon wie beispielsweise der Straßenverkehrsordnung. Zudem ist es durch eine sehr heterogene, dezentrale Teilnehmerzusammensetzung gekennzeichnet, die folgende Fragen sehr unterschiedlich beantworten:

• Was sind die positiven und negativen Aspekte von existierenden oder denkbaren Regel(werke)n?
• Welche Regeln/ Regelwerke brauchen/ wollen wir bzw. ich?
• Wie gehe ich mit Spielern um, die sich nicht an diese Regeln halten (wollen)?

Das besondere Hauptaugenmerk liegt bei Direktvergleichen in der Regel auf DragonSys als punktebasiertes System und DKWDDK als „Gegenmodell“ siehe hierzu: larpwiki.de/Regeln/DragonSys

larpwiki.de/action/show/Regeln/DKWDDK

www.larpinfo.de/read.php

oder Diskussionen dazu beim sozialen Netzwerk larper.ning.com

Hauptargumente für das ältere System DragonSys sind:

• Relativ leichter Verständnisübertrag aus dem Tischrollenspiel wie DSA
• Klare Orientierung – gerade auch, aber nicht nur – für Anfänger
• Durch schriftliche Form eigentlich eindeutig und verbindlich daher (sofern sich alle dran halten) relativ fair
• Hoher Bekanntheitsgrad z.B. der Standartzauber, dadurch flüssigeres Spiel

Die Gegenargumente sind vielgestaltig:

• Konkrete inhaltliche Schwächen wie zum Beispiel das Kräfte-Ungleichgewicht zwischen Charakterklassen
• Gute Darstellung (von Ausrüstung bis zur emotionalen/ theatralischen Darstellung einzelner Szenen) ist zwar erwünscht, wird aber nicht direkt eingefordert, überprüft, ggf. sanktioniert. Unangenehme Selbstdarstellung auf Grund eines sehr mächtigen Charakters kann nichts entgegen gesetzt werden.
• Ein Regelwerk schafft immer eine Verbindung zur Realwelt (Bsp.: Kämpferschutzpunkte, die nachgerechnet werden müssen, Schadenspunkte, die angesagt werden) und verhindert u.U. intensiver Spielerlebnisse
• Spieler werden stark begrenzt in der Wahl ihrer Charaktere (Adelige, ältere Charaktere), da für notwendige Fähigkeiten zu Beginn keine Punkte zur Verfügung stehen.
• Sofern konform mit den Regeln gehend, kann ein Spieler einem anderen etwas aufzwingen (z.B. negative Auswirkungen durch Zauber oder Meucheln). Dies kann ggf. als Übergriff empfunden werden und könnte anders gehandhabt werden. larpwiki.de/Regeln/OpferRegel

Das DKWDDK hingegen basiert im Kern auf

1. „Dein Charakter kann nur, was Du darstellen kannst.“
2. „Dein Charakter kann alles, was Du darstellen kannst.“

Damit soll vor allem bessere Darstellung (weniger Powergaming larpwiki.de/PowerGamer) gefördert/ gefordert und der Spielspaß aller Beteiligten erhöht werden. Ein eher moralischer Ansatz also.

Zitat:
„Regelmäßig wird bemängelt, der Magie im deutschen Fantasy-Larp fehle es an Mystik. Und besonders von DKWDDK-Spielern wird oft gleich hinterher geschoben, das läge an den Punkteregelwerken, die – abgesehen davon, dass sie nur wenig (Mindest-)Aufwand bei der Darstellung verlangen – Magie berechenbar machen. Der Aktion folgt die immer gleiche Reaktion, Magie lässt sich als Werkzeug einsetzen, präzise, vorhersehbar – und nach manchem Regelwerk sogar mit Geling-Garantie.“

larper.ning.com/profiles/blog/show

In der Praxis führen diese Regeln aber auch zu

• einer hohen Notwendigkeit zur Selbstbeschränkung jedes einzelnen Spielers in Wahl und Handlungen seines Charakters. Denn theoretisch wäre jeder „Übercharakter“ legitim.
• teilweiser Überforderung ohne gute, orientierende Leitfäden z.B. in Bezug auf Darstellung von Magie, gerade wieder bei Anfängern.
• anderen Arten von sozialen Konfrontationen zwischen Spielern, da persönliche Meinungen direkt aufeinanderprallen und es keine „letzte Instanz“ gibt.
• schlechterer Steuerbarkeit für die SL

und leider auch zu Einschränkungen im Bereich Fantasy/ Magie, da spätestens beim DKWDK symbolische Darstellung gänzlich abgelehnt wird larpwiki.de/Regeln/DKWDK und auch beim DKWDDK spezielle Bereich wie beispielsweise Kampfmagie scharf diskutiert wird.

Zitat:
„Zaubererspiel ist eigentlich cool – wenn die blöde Magie und ihre mangelnde Darstellung nicht wäre. Nichts entzaubert Magie im LARP stärker, als eine Phalanx softballwerfender und windstoßfächernder Zauberer in der Schlachtreihe. Derartig profane Magie(darstellung) ist daher nicht erwünscht und Charaktere, deren Magierdasein sich darauf beschränkt möglichst oft zu zaubern sind in der Kesselgasse falsch.“

larper.ning.com/profiles/blog/show

Inwieweit DKWDDK tatsächlich signifikant besser Spielerlebnisse liefert, ob es irgendeine Regel gibt, die „schlechtes“ Spiel (Anderer!) verhindert, wie stark der Zusammenhang zwischen Regeln und Spielerlebnis/ Immersion ist und wie viel Verallgemeinerung das in seiner Gesamtheit hoch subjektive Themenfeld verträgt, ist bisher nicht abschließend beantwortet.

Festhalten lässt sich, dass offensichtlich keins der beiden Regelwerke die perfekte Lösung(en) bietet. So bleiben für zukünftige Veranstaltungen des Esbornia e.V. weiterhin Fragen zu klären:

• Welches sind die – aus unserer Sicht – besten Elemente der uns bekannten Regelsysteme? Warum? Wie führen wir sie zusammen?
• Haben wir Ansprüche an die Darstellung von Charakteren? Wenn ja, wie lassen sich diese sinnvoll kommunizieren?
• Welche Ideen, Konzepte und konkrete Umsetzungen bieten wir an, um unseren Spielern/ Teilnehmern besonders positive, intensive, zauberhafte, mystische, kurz: fantastische Momente anzubieten?