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LARP-Theorie 8: Abenteuer LARPs, NSCs und Setting

Gewissermaßen aus der grauen Vorzeit des Liverollenspiels stammt das Genre des Standard-Wald-und-Wiesen-Abenteuer-Cons: Die Gruppe Helden [Spieler] trifft auf ein Dorf, welchselbiges ganz zufällig gerade jetzt bedroht wird durch Orks/ Untote/ kleine lila Monster. Nun besteht die Aufgabe darin Hinweise (Schriftstücke, NSC-Wissen) über notwendige Artefakte zur Abwendung der Gefahr zu finden und besagte Gegenstände aus ihrem Versteck im Wald zu holen. Währenddessen werden kämpferisch die angreifenden Horden in Schach gehalten, bis endlich das Endritual inklusive Endschlacht zum Sieg des Guten über das Böse führt.

Dass dieser Handlungsfaden mehr Löcher aufweist als ein schweizer Käse mindert kaum die Häufigkeit seiner Verwendung. Und so sehr ich persönlich dieses Plots auch überdrüssig bin, so begeistert bin ich nach wie vor in die Idee einer Fantasygeschichte in einem Wald/ waldnahem Gebiet.
Weshalb sich für mich als erstes die Frage stellt, ob sich dieses Setting nicht auch liebevoller gestalten lässt. Deshalb habe ich ein paar Überlegungen zu dieser Situation angestellt.

Strukturfragen:

  1. Wer befindet sich wahrscheinlich im Wald?
  2. Was sind Schnittstellen Wald-Dorf?
  3. Wer lebt logischer Weise im Dorf?
  4. Welche Konflikte sind vorprogrammiert?
  5. Wie lassen sich Fremdrassen realistisch darstellen?
  6. Ausstattung?

 

1) Waldbewohner

Fantasy Waldbewohner:

  • Jäger- und Sammlerkultur, „Indianer“
  • Hexe, Druide, Schamane, Einsiedler
  • Elfen
  • Feen
  • Geister
  • Kobolde
  • Pilz, Busch, wandelnder Baum/ Ent
  • Tierwesen
  • Dryade, Nymphe
  • Satyr

 

Temporäre Waldnutzer:

  • Räuber, Widerstandkämpfer
  • Boten
  • Fernhändler, Karawanen, Reisende, Kesselflicker und Scherenschleifer

 

2) Schnittstellen

Waldgüter und –berufe:

  • Holz, Kork                    Holzfäller, Förster
  • Kohle                           Köhler
  • Bienen/ Honig               Imker
  • Ahornsirup                    Sammler
  • Fleisch, Leder, Fell        Jäger, Wildhüter, Trapper
  • Heilpflanzen                  Heiler oder Apotheker
  • Ton (Töpferei, Hausbau)                                                             Töpfer
  • Stein (Steinbruch, Edelsteine)                                                     Steinmetz, Juwelier, Händler
  • Brennmaterial: Reisig, Zapfen, Steinkohlen                                  Dörfler
  • Essbare Pflanzen (-teile): Farnwurzeln, Brombeeren, Birkensaft     Dörfler

3) Dörfler:

(ansteigend in Richtung Zivilisationsstufe)
Wichtig: Je größer eine Sieldung, umso mehr spezialisierte Berufe. In kleinsten Ortschaften übt jeder alles ein bisschen aus, was sich realisieren lässt! Es sei denn es handelt sich z.B. um eine Wegstation oder eine spezialisierte Gemeinde, die einer Stadt zuarbeitet (mit Erzmine, Steinbruch, besonderem Holzvorkommen usw.) und alle sonstigen Güter mit der Stadt tauschen kann.

  1. Bauern
  2. Müller – wertvollste Dienstleistung im Dorf! à reichste Person
  3. Hebamme/ Hexe, Barder
  4. Stellmacher für Karren, Gespanne, Flug u.ä.
    • Tischler
  5. Schmied + Köhler

_______________________________________________ Kleinstadt

 

  1. Bäcker
  2. Wirtschaft (Essen)
  3. Schreinerei, Böttcherei, je nach regionaler Lage

 

 

4) denkbare „normale“ Konflikte
Fantasywelten haben mit Wunschvorstellungen zu tun. Eine Konfliktentwicklung die eben nicht den menschlichen Gesetzmäßigkeiten folgt ist daher durchaus legitim. Wird hingegen viel (bedrohlicher) Realismus gewünscht, böte das Wald-Dorf-Szenario genug Konfliktpotential.

  • grundsätzlich Angst und Misstrauen auf beiden (?) Seiten vor Übergriffigkeiten wie Angriffen, Raub, Seelendiebstahl usw., wahrscheinlich auch Neid mit entsprechenden Vorurteilen gegenüber den Wilden/ Bösen/…
  • Klassischer Kampf um Ressourcen zwischen „zivilisierter“ Menschen- und „unzivilisierten“ Waldkulturen, u.U. auch aus religiösen Gründen wie heiligen Bäumen auf der einen und Profitstreben auf der anderen Seite (ähnlich der Konflikte zwischen Ureinwohnern Amerikas und Siedlern)

5) Fremdrassen realistisch darstellen?
Die rein visuelle Ausgestaltung von Fremdrassen hat im LARP ein beeindruckendes Niveau erreicht. Doch Feen u.ä. sollen ja auch dadurch verzaubern so überaus nichtmenschlich zu denken und handeln, sich „fremdartig“ und „exotisch“ anzufühlen.
Der Versuch zu entschlüsseln was Menschen menschlich und Aliens fremdartig macht hat Philosophen und Science-Fiction-Autoren schon immer beschäftigt und sprengt den Rahmen dieses Textes. Nachfolgend daher lediglich ein paar Gedanken ohne Anspruch auf Richtigkeit oder Vollständigkeit.
Emotionale und soziale Struktur: Menschen und gerade überzeichnete menschliche Gegner sind markant in ihrem brennendem Ehrgeiz, dem Streben nach Ruhm, Einfluss, Geld und Macht. Sie wollen „etwas erreichen,“ „hoch hinaus“ und sind bereit dafür alle nötigen Preise zu zahlen und über Leichen zu gehen.
Dem gegenüber steht die Angst vieler Menschen. Im angestrengten Streben nach Sicherheit gegen reale und vermeintliche Bedrohungen wachsen Neid, Missgunst, Bosheit und (Fremden-)Hass.
Konservativismus ist Kennzeichen beider Extreme und der selbstgefällige Dorfvorsteher steht in seiner Grausamkeit einen tyrannischen Monarchen in nichts nach.
Werte und Krieg: Eine bedeutende Person zu sein und Wohlstand und Macht in den Händen zu halten befriedigt scheinbar viele menschliche Bedürfnisse, daher ist das Streben danach weit verbreitet. Die unstillbare Gier nach weiteren Erfolgen und die unvermeintlichen Kränkungen, wenn mehrere solcher Personen aufeinander prallen macht Krieg unumgänglich, wie die Geschichte der Menschheit eindrucksvoll zeigt. Da aber ein permanentes Hauen und Stechen aus allen Seiten für Machthaber und Meinungsbildner kaum erwünscht ist, ist die Doppelmoral ein wichtiges Instrument, um sich Konkurrenz vom Leib halten zu können. Bescheidenheit, Fügsamkeit, Treue sind sehr schöne Eigenschaften – bei Anderen. Die meisten Männer strebten aber trotzdem nach maximaler Kampfkraft und die meisten Frauen nach dem bestmöglichen Krieger als Partner.

Denkbare Merkmale von Fremdrassen:

  • klare Definition der wichtigsten/ begehrenswertesten Eigenschaft für jedes Individuum der Rasse (Weisheit, Friede, Wissen, Kampfkraft, Attraktivität der Männchen durch Gesang und der Weibchen durch Tatkraft,…)
  • die Aktivität der Rollen auf das Errechen dieser Eigenschaft ausrichten: Wesentlich höherer Zeitanteil für Ritualen zur Gruppenformung/ zur Selbstkultivierung („Geistertänze“) oder zum Training (Kampfspiele)
  • Bei Völkern mit geringer Zivilisationsstufe z.B. Jäger- und Sammler wie Waldelfen weniger ausgeprägte Geschlechterwahrnehmung und weniger sexuelle Vergleiche, bei so genannten Hochkulturen dagegen stark überzeichnen („Ich bin die Schönste!“ „Ich bin der beste Krieger“)

Sehr eindeutig, aber unter Umständen auch sehr platt wäre:

  • Reduktion der Emotionspalette, z.B. böse Wesen reine Aggression, ein Feenvolk ohne das Konzept von Ehrgeiz

 

6) Ausstattung
Ausstattungsgegenstände ergeben sich logisch aus dem Kontext. – So hübsch Schwerter auch sein mögen, für „Waldläufer“-NSCs sind sie inhaltlich sinnlos. Wesentlich glaubwürdiger und weit weniger gelangweilt wären auch die typischen Dorf-NSCs, wenn sie tatsächlich Arbeit hätten. Wer für sein Con nicht gleich ein Weizenfeld anlegen will, könnte auf domestische Arbeiten zurückgreifen.
Zwar ist keine dieser Tätigkeiten für eine blutigen Anfänger ad hoc realisierbar, aber vielleicht lassen ja Larper finden sich, die sich mit dem einen oder anderen Thema schon einmal auseinander gesetzt haben.

Arbeiten auf einem Bauernhof (unvollständige Auswahl!)

Tätigkeit Minimalausstattung
Lebensmittel

  • Äpfel pressen
  • buttern
  • räuchern
  • Brotfladen
  • Presse (Mostpresse) + Äpfel
  • Butterfass oder manuelle Buttermaschine + Rahm oder Buttermilch, Siebe , Schüsseln, Brett und 2 flache Messer o.ä.
  • Räucherofen [umgebauter Metallmülleimer], Sägemehl aus Hartholz, Fleisch
  • Brotteig, heißer Stein
Wäschepflege

  • waschen
  • trocknen
  • bügeln
  • färben
  • Großes Fass/ Waschzuber, Waschbrett, Seife,
  • 3 Holstäbe, 2 mit Astgabeln, Holwäscheklammern
  • Brett, altes Plätteisen und Kohlebecken
  • Kessel, aufgehängt, weiße Wolle oder Leinen zum Färben, Beize, Birkenblätter oder andere Farbe
Rund ums Haus

  • Brennmaterial herbeischaffen
  • Kerzen
  • Binsenlichter
  • Hausputz
  • Möbel bauen/ reparieren
  • Körbe flechten
  • kleine Gefäße töpfern
  • Absprache mit dem Grundstücksbesitzer
  • Axt, Keile, Sägen (+ mitgebrachten Baumstamm/ Brennholz) oder Korb für Reisig
  • Kerzenwachs + Behältnis, Dochte, Stangen, Gestell zum Trocknen
  • Binsen (abschälen), heißes Tierfett (Hammel), Halterung z.B. Stein mit Kuhle
  • Bürsten, Lappen, Besen, Eimer, Teppichklopfer + Teppich und Leine zum Aufhängen
  • Je nach Arbeitsweise: Säge, Hobel, Bohrer, Beitel, Nägel, Hammer, Schmirgelpapier, Öl/ Wachs usw.
  • Weidenruten o.ä., schweres Messer, Rosenschere, Pfriem und Schlageisen, Bretter und Haselnuß-stecken
  • Töpferscheibe, Brennofen, Ton, Wasser
Handarbeit

  • spinnen
  • weben
  • Teppiche
  • häkeln, st(r)icken
  • nähen, flicken
  • 2 Handkrempler zum Kämmen + Handspindel oder Spinrad
  • Webrahmen, Garne
  • Gitterleinen oder Jute-Unterlage, Garne + Knüpfhaken oder Spezialpunze
  • Spezialnadeln, Garne
  • s.o. + Stoff, Schere
kochen Leider allerlei Zubehör nötig für eine Küche, schön wäre eine kleine Getreidemühle für Brot,„outddor“ die obligate Feuerstelle, Dreibein, Topf, dazu Messer, Bretter, Schalen usw.

Literatur, Recherche:
Beim Thema Jagd wäre zunächst zu entscheiden, ob es sich um Bogenjagd oder Fallenstellerei handeln soll. Ein Fallensteller braucht vor allem Schlingen, Drähte, Schnüre und Behälter, der Bogenschütze gute Pfeile, einen Platz wie einen Hochsitz und sehr warme Kleidung für die Wartezeit. Ein kleines Beil und ein passendes Messer werden beide zum finalen Töten und Zerlegen brauchen.

  • Selbstversorgung z.B. John Seymour „Vergessene Haushaltstechniken“ oder „Das Kosmos-Buch vom Landleben“ von Paul Heiney
  • „Lehrbuch der Bogenjagd“ von Thorsten Trede